Villa Langenscheidt mit Stallgebäude

Auf dem nördlichen Nachbargrundstück, in der Colomierstraße 1-2, befindet sich das aus Landhaus und Stallgebäude mit Kutscherwohnung bestehende Anwesen Haus Langenscheidt. 1899 wurde zunächst das am Wendekreis gelegene Wohnhaus Colomierstraße 2 gebaut. Frühe Planungen, dieses zunächst als Sommerhaus mit Kutscherwohnung und Remise zu nutzen, um später eine größere Villa zu errichten, ließ man bereits vor 1901 wieder fallen. (1) 1902 entstand stattdessen das stattliche Stall- und Remisengebäude Colomierstraße 1. Der bekannte Verleger Carl Langenscheidt und seine Frau Frieda ließen ihr Sommerhaus von dem bekannten Architekten und Burgenrestaurator Bodo Ebhardt entwerfen. (2) Es unterscheidet sich formal und stilistisch grundlegend von den umgebenden Landhäusern und Villen, die immer auch repräsentativen Ansprüchen zu genügen hatten. Das Haus Langenscheidt ist hingegen ganz Privathaus und Refugium, bescheiden in seinem Raumprogramm und von malerischer, beinahe verwunschener Erscheinung. Am Ende der Sackgasse gelegen, ist es mit seinen schmalen Giebelseiten zur Straßen- und Seeseite ausgerichtet. Die äußere Gestaltung ist an fränkische und niedersächsische Fachwerkbauten der Renaissance angelehnt (3), zeigt aber auch Anklänge an den Jugendstil. Über einem verklinkerten Gebäudesockel mit Rundbogenfenstern erhebt sich das ebenfalls massiv gemauerte Erdgeschoss mit vorgeblendeter Fachwerkfassade. Das an den Giebelseiten wie beim Stockwerksbau leicht auskragende Dachgeschoss ist hingegen vollständig in Fachwerk ausgeführt. Es wird von einem weit ausladenden Krüppelwalmdach umschlossen.

Das insbesondere an den Giebelseiten reich gestaltete Fachwerk zeigt eine Mischung von historischen Motiven, darunter typische Figuren wie den "Mann" und das "Andreaskreuz". Alle Bestandteile wie Rähme, Stützen, Riegel, Balkenköpfe und Sparrenfüße sind mit Schnitzereien reich verziert. Der Hauseingang an der rechten Längsseite ist über eine vorgestellte zweiarmige Treppe mit Podest zu erreichen. An der Nord- und Ostseite, also zum Garten hin, treten zwei Bauteile aus dem sonst kompakten Baukörper hervor: ein gedeckter Sitzplatz an der Seeseite und der tiefer, in einer Art Hofsituation liegende ehemalige Pferdestall, der von einem außergewöhnlich geschwungenen, einem Kielbogen ähnlichen Dach überspannt wird. Das Gebäudeinnere entspricht dem eines Sommerhauses und entbehrt jeglicher Repräsentation. Im Erdgeschoss gehen von einem kleinen Flur zwei Wohnräume, Veranda, Küche und Treppenhaus ab; im Obergeschoss liegen ein großes Schlafzimmer, drei kleine Räume und ein Bad. Die Ausgestaltung der Räume ist ländlich schlicht, mit Dielen und Kamin, einzig im Schlafzimmer ist eine umlaufende Holztäfelung der Wände erhalten.

Das zweigeschossige Stallgebäude mit Kutscherwohnung auf dem Eckgrundstück Colomierstraße 2, Ecke Straße am Großen Wannsee, wurde 1901 ebenfalls von Bodo Ebhardt entworfen. Der massive Mauerwerksbau besitzt ein hell geputztes Erdgeschoss, eine horizontale Holzverschalung im Obergeschoss und ein rotes Ziegelwalmdach. Seine dekorative Gestaltung ist für ein Nebengebäude aufwendig - dies gilt vor allem für den turmartigen Bauteil rechts, der zwei auskragende Obergeschosse auf Knaggen, reiches Fachwerk mit Zierstreben, eine runde Uhr und einen spitzen Fachwerkgiebel mit gekreuzten Giebelhölzern zeigt. (4) 1972 wurde das Remisengebäude zum Clubhaus eines Rudersportvereins umgebaut. Das mit einem Stabgitterzaun auf rotem Klinkersockel eingefriedete Grundstück wurde damals geteilt. Unmittelbar vor dem Gebäude befindet sich noch das schmiedeeiserne Einfahrtstor in geschwungenen Formen mit bemerkenswertem Blattwerkdekor, von dem einst ein breiter Fahrweg durch den Garten zur Villa Langenscheidt führte.

1) Bauzeichnungen und Lageplan in: Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf, Bau- und Wohnungsaufsicht, Bauakte.

2) Carl Langenscheidt (1870-1952) war der Sohn des Verlagsgründers Gustav Langenscheidt. Zu Bodo Ebhardt siehe: Bekiers, Andreas: Bodo Ebhardt, Architekt, Burgenbauer und Restaurator 1865-1945, Berlin 1984.

3) Neupert, Sabine: Das Landhaus Langenscheidt des Bodo Ebhardt in Berlin (Wannsee), unveröff. Magisterarbeit an der TU Berlin 1990.

4) Das Erdgeschoss mit großen Toren bot ursprünglich Platz für drei Pferde und zwei Wagen, Geschirrkammer, Geräteraum und Hühnerstall. Im Obergeschoss lag eine Bedienstetenwohnung.


Die Villa Langenscheidt entstand um die Jahrhundertwende in der Kolonie Ahlsen am Berliner Wannsee. Mitglieder der Berliner Oberschicht bauten sich dort auf weitläufigen Grundstücken prächtige Villen und Häuser, die von großzügigen Park- und Gartenanlagen umgeben waren. Auch der Verleger Carl Langenscheidt erwarb in der Kolonie ein Grundstück. Er beauftragte den renommierten Architekten Bodo Ebhardt mit dem Bau einer Villa im Landhausstil. Der Professor und Hofbaurat gründete 1899 die Deutsche Burgenvereinigung und galt als Lieblingsarchitekt von Kaiser Wilhelm II. Das Langenscheidt'sche Haus trägt in Form und Farbe trotz der eher konventionellen Handschrift Ebhardts deutlich Züge des Jugendstils. "Es ist eines der skurrilsten Gebäude hier am Wannsee", meint Dipl.-Ing. Holger Niewisch, dem die Instandsetzung der denkmalgeschützten Villa übertragen wurde.

Das Ingenieurbüro hat sich seit Ende der siebziger Jahre im Rahmen der Stadterneuerung auf die Erhaltung tragender Bauteile spezialisiert und auf diesem Gebiet landesweit einen Namen gemacht. Dabei zahlt sich insbesondere seine Kompetenz in Sachen Holzschutz aus. Die Vernetzung mit Büros in Berlin und Brandenburg/Havel sorgt für größere Flexibilität und Zuwachs an Potenzial. "Es hat sich bewährt, nicht als Generalist aufzutreten", so Dipl.-Ing. Holger Niewisch, "sondern uns intensiv mit der substanziellen Erhaltung zu beschäftigen." Zu den namhaften Objekten, an denen das Ingenieurbüro seine Kompetenz unter Beweis gestellt hat, gehören unter anderem das Lutherhaus in Wittenberg, die Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar und das anhaltinische Schloss Dieskau.

Auch bei der Vergabe des Auftrages für die Instandsetzung der Villa Langenscheidt erwies sich der gute Ruf des Büros als die beste Offerte. Unterlassene Instandsetzungsmaßnahmen und nutzungsbedingte Funktionsänderungen hatten über die Jahrzehnte deutliche Spuren am Gebäude hinterlassen. Um weiteren Verfall aufzuhalten, besaßen die Prüfung und Instandsetzung der äußeren baulichen Substanz oberste Priorität. Im Ergebnis der Untersuchungen wurde mit der zuständigen Denkmalbehörde die Vorgehensweise festgelegt. "Im Holzfachwerk traten alle Schäden auf, die man sich vorstellen kann", rekapitulierte Architekt Niewisch. Um ihnen auf die Spur zu kommen, wurden Bohrungen in das Holz getrieben, die eine rückseitige Betrachtung mit dem Endoskop ermöglichten.

Zu Tage kamen Hausbock, Holzwurm, Hausschwamm und Fäulnis. Der notwendige Austausch von Fachwerkteilen war mit dem Erneuern von Gefachen verbunden. Wegen der zu erwartenden Bewegung des Holzes musste der dafür verwendete Mörtel und Kalkputz sehr weich sein. Bei der Auswahl geeigneter Materialien nahm das Ingenieurbüro die Hilfe der Industrie in Anspruch. Gute Erfahrungen mit Silikat- und Kalkfarben von Caparol veranlaßten Niewisch, Kontakte mit dem Ober-Ramstädter Hersteller zu intensivieren. In Joachim Rust und Dr. A. Neser fand er kompetente Partner.

Wertvolle Vorarbeit hatte die Berliner Restauratorin Jeanette Koletzki mit ihrem Gutachten vom August 2004 geleistet. Danach waren das Holzfachwerk mit einem grünen und die übrigen Holzteile mit einem roten Farbanstrich versehen worden, während die Gefache einen weißen Anstrich vermutlich mit Dispersionsfarbe erhalten hatten. Die Farbtöne wurden nach dem NCS-System bestimmt.

Nachdem sich erste Probeanstriche an freigelegtem Holzwerk als zu hell und leuchtend erwiesen hatten, unterbreitete Caparol für die Beschichtung aller Bauteile ein Komplettangebot, das die Zustimmung des Ingenieurbüro und Denkmalamtes fand. Die Gefache erhielten nach Entfernen von Bewuchs und Altanstrichen eine Grundbeschichtung mit Calcimur Kalkschlämme, auf die als Schlussbeschichtung im Kreuzgang Calcimur Fassaden-Kalkfarbe aufgetragen wurde. Bei der Kalkschlämme handelt es sich um einen füllenden Schlämmanstrich für mineralische Außenflächen vorwiegend denkmalgeschützter Objekte, mit dem Schwindrisse bis 0,2 mm geschlossen werden können.

Die Holzteile wurden mit Capadur Color Wetterschutzfarbe beschichtet. Um die im Gutachten genannten Farbtöne herzustellen, setzten die Verantwortlichen auf die Kompetenz der zur Caparol-Gruppe gehörenden Farbenfabrik in Nerchau. Dort wurden die Sonderfarbtöne von Hand gemischt und nach einer eigens für diesen Zweck zusammengestellten Rezeptur angefertigt. Die freigelegten rohen Holzflächen des Fachwerks erhielten nach Grundierung mit einer Insekten bekämpfenden Speziallasur wieder den ursprünglichen grünen, die Verbretterung der Dachüberstände, Balken, Verzierungen, Fasen, Falze, Kehlen und Kerbschnitte den roten Anstrich.

Die Farbigkeit des Gebäudes fällt in der Villenkolonie am Wannsee deutlich aus dem Rahmen, trägt aber seinem Landhauscharakter konsequent Rechnung. Architekt Holger Niewisch lobt das Bemühen des Farbenherstellers, auch auf ausgefallene Kundenwünsche einzugehen und wünscht sich, noch viel öfter Farben nicht nach Karte, sondern nach Befund herzustellen und damit der Realität einen Schritt näher zu kommen. Mit dem Ergebnis der ersten Phase der Fassadensanierung ist er vollauf zufrieden.

Wolfram Strehlau