Mäzen | Bauherr
1998 gründeten Jörg Thiede und seine Frau Traute die gemeinnützige Dr. Jörg Thiede Stiftung. Vorrangiger Stiftungszweck ist die berufliche Förderung benachteiligter Jugendlicher in Verbindung mit der Sanierung denkmalgeschützter Bauwerke in den Ländern Berlin und Brandenburg. Nach mehreren abgeschlossenen Projekten erwarb 2004 die Familie Thiede für die Stiftung die zuvor von einem Sportverein genutzte und seit mehreren Jahren leerstehende Villa Hamspohn direkt neben der Liebermann-Villa am Wannsee, beides Werke des Architekten Paul Baumgarten.
Nach umfassender Sanierung wurde 2006, einhundert Jahre nach ihrem Bau, die Villa Thiede als private Kunstsammlung und Kulturstätte eröffnet. Im Kunstsalon findet man Werke von Liebermann, Leistikow, Skarbina, Hagemeister, Saltzmann und anderen, im Skulpturengarten Skulpturen von Gaul, Heiliger und anderen. Das Haus bietet auch Platz für vielfältige Veranstaltungen in kulturvoller Umgebung.
Weitere Informationen zum Baudenkmal VILLA THIEDE
OFFENE TÜREN
Text von Dorothee Vogt
erschienen im Printmagazin FAMILY VALUES - November 2008
Kunstbesitzer suchen nach neuen Formen, ihre Exponate zu präsentieren. In Berlin, dem Zentrum der deutschen Kunstszene, findet man die experimentierfreudigsten Sammler.
Das Gebäude ist ein Prunkstück. Von außen eine Villa neoklassizistischen Stils, umfängt den Besucher innen eine dunkelrot gestrichene zweigeschossige Halle mit einem farbenprächtigen Jugendstilfenster, einer Marmorvenus, einem Kamin, der mit einer Frieskopie aus der Bibliothek des Vatikans geschmückt ist. Durchschreitet man die Halle, öffnet sich der Blick hin zu einem riesigen Park, der - durchbrochen von modernen Skulpturen - bis zum Wasser reicht. Der Name des Anwesens: Villa Thiede. Die Adresse: Am Großen Wannsee 40. Direkt nebenan steht das berühmte Sommerhaus des Impressionisten Max Liebermann. Ein paar Steinwürfe entfernt befindet sich die Gedenk- und Bildungsstätte „Haus der Wannsee-Konferenz“.
Der Patron als Gärtner
Auf der Terrasse der Villa sitzt Jörg Thiede, blickt auf Garten und Wannsee und freut sich. Er trägt ein weites Hemd, eine Leinenhose. Thiede bezeichnet sich als „Patron“, als Schirmherr, als Gastgeber. „Einen Geschäftsführer mit Anzug will hier niemand sehen.“ Er wolle „normale Menschen“ ansprechen, zu ihnen eine „Bauch-, keine Kopfbeziehung aufbauen“. Manch einen Besucher, der durch den Skulpturenpark schlendert, fragt er mit seiner kräftigen Stimme im Berliner Tonfall nach dessen Eindruck. Hin und wieder ist Thiede auch inkognito als „Gärtner“ unterwegs: „Ich schaue mir die Gesichter meiner Besucher an und sehe, dass sie für einen Augenblick ihren Alltag vergessen.“
2004 hat der ehemalige Manager, heute 70, die heruntergekommene „Villa Hamspohn“ erworben, aufwendig restauriert und 2006 für Besucher wieder geöffnet. Die neue „Villa Thiede“ ist Zentrum der seit 1998 bestehenden und nach ihm benannten „Dr. Jörg Thiede Stiftung“. Diese sammelt Kunst der 1892 gegründeten „Gruppe der XI“ und der „Berliner Secession“ - Maler wie Karl Hagemeister, Walter Leistikow oder Max Slevogt, die vor allem mit ihren Naturstudien berühmt wurden. Des Weiteren unterstützt die Stiftung die Sanierung von Baudenkmälern. Drittes Standbein ist die Förderung benachteiligter sowie besonders begabter Jugendlicher.
Ort der Begegnung
Thiede ist Mittelpunkt und Motor der Stiftung, entscheidet darüber, welche Exponate im halbjährlichen wechselnden Kunstsalon „Berliner Secesssion“ zu sehen sind. Er überzeugt Sammler und Museumsleiter, ihre gutgehüteten Schätze für Ausstellungen herauszurücken. Dem Privatmann Thiede gehören nur einzelne Werke, rund 80 sind im Besitz der Stiftung. Seine Villa nennt er „Haus der Begegnung“, und es geht ihm nicht nur um Kunstschau. Ganz in der Salontradition des 18. und 19. Jahrhunderts lädt er zu Konzerten, Lesungen und interdisziplinären Diskussionen ein. „Dieser Ort ist kein Museum“, sagt Thiede.
Der Kunstsammler ist promovierter und habilitierter Wirtschaftswissenschaftler, saß in Vorständen und Aufsichtsräten, beriet Konzerne, war Inhaber einer Firmengruppe. In den achtziger Jahren hat er seine ersten Bilder gekauft. Sein Ziel: das selbsterarbeitete Vermögen dem Gemeinwohl zuzuführen.
Farbige Salons statt grauer Kabinette
Seit August 2008 werden in der Villa unter anderem Arbeiten Walter Leistikows aus Privatbesitz gezeigt. Thiede hängt die Bilder nach seinem Gusto auf. Die Räume sind in kräftigen Farbtönen gestrichen. „Es geht um Atmosphäre, die in Museen ohne Tageslicht nicht entstehen kann.“ Kein Schild erläutert die Werke, und kein Pfeil verweist auf einen Rundgang. Kunsttheoretiker und Feuilletonisten provoziert er mit einem Renoir-Poster, das auf einer Staffelei steht. Das Original von „Frühstück der Ruderer“ hängt in Washington und ist eine der berühmtesten Arbeiten von Renoir. Thiede schwärmt: „Die französischen Impressionisten haben mit Licht einen viel stärkeren Ausdruck erreicht als ihre deutschen Kollegen. Dieses Motiv besitzt eine unglaubliche Sinnlichtkeit.“
5. MÄRZ 2014
"DIE DIKTATUR IN DER DDR WIRD EINES TAGES SICH SELBST AUFLÖSEN."
Jörg Thiede, 1981 (Foto von Klaus Göken)